Pressespiegel zur CD: THOMAS BUCHHOLZ: Kammersinfonien VI-IX.
Ensemble Konfrontation des Philharmonischen Staatsorchesters Halle, Ltg. Thomas Müller; Händelfestspielorchester des Opernhauses Halle, Ltg. Howard Arman; Philharmonisches Kammerorchester Halle, Ltg. Oliver Pohl (Thorofon CTH 2380)
Presse: Das Orchester, 4/99
Obgleich der 1961 in Eisenach geborene, in Leipzig ausgebildete und
in Halle lebende Komponist Thomas Buchholz sich als Musiker bewusst auf
die Vergangenheit bezieht, ist er kaum als Postmoderner zu bezeichnen.
Und zwar deshalb, weil zum einen nicht die Korrespondenz mit mehreren oder
einem ganzen Spektrum von Stilen oder Quellen gesucht wird, sondern der
Tonsetzer nur einen musikgeschichtlichen Entwicklungsstrang vom heutigen
Standpunkt rückblickend ausdeutet. Zum anderen, weil ein besonders
weiter Bogen geschlagen wird, nämlich in die Vorklassik und insbesondere
zur Musik von Heinrich Schütz.
Die gilt auch für die Kammersin-fonie VI mit dem Titel Todesfuge
nach Paul Gelan, in der sich aus knappen melodischen Chiffren von lyrisch-elegischem
Charakter ein spannungsreiches Geflecht bildet. Von den vier Werken dieser
CD hat am ehesten diese sich freitonal gebende Kornposition noch Wurzeln
in der Moderne des 20. Jahrhunderts und nimmt vor allem durch ihren Ernst
den Hörer für sich ein.
Bei der Kammersinfonie VII Ex Squi geht es in programmatischer Anlehnung
um eine Lebensreise von der Geburt bis zum Tod. Das interaktive Geschehen
des zweiten Satzes ,,Concert" beschwört den Geist des Barock ohne
direkte Stilzitate: Nicht etwa Achtelbewegungen oder Kontrapunkt-Etüden
sind nötig, es ist eher das harmonische Material, es ist der Klang,
der den Hörer an Schütz und seine Zeit denken lässt. Auch
in den Sätzen drei und vier, wo teils rhythmisch-repetitive Elemente
flächigen Satzteilen entgegengestellt werden und wo eine recht eigene
Art von Klangfarbenmelodik Platz greift, steht es nie außer Zweifel,
dass dies Musik unserer Jahre ist.
Stärker orchestral wirkt die Kammersinfonle VIII, nicht zuletzt
dank des größer besetzten Streicherapparats. Auch in dieser
Komposition von Thomas Buchholz begegnet man eigenwilligen auratischen
Assoziationen der Musik des Barockzeitalters.
Mir erscheint die Kammersinfonie IX Tabzdatura - wie die übrigen
Stücke mit Ausnahme der ein Jahr älteren Todesfuge 1995 entstanden
- als das reizvollste Werk und mit einer Theorbe als Soloinstrument besonders
schlüssig. In der nach Konzertform dreisätzigen Kammersinfonie
IX konzertiert die Theorbe im Kopfsatz vor flirrend-intensiven Streichern.
Der gleichzeitig melodische, ja fast rhapsodische und doch auch rhythmisch-perkussive
Part dieses Saiteninstruments nimmt gefangen. Das Adagio ruht in sich selbst,
es bietet fünfeinhalb Minuten Musik von warmer Dunkelheit und sanfter
Melancholie, bevor der Finalsatz dieses beinahe klassisch symmetrisch erscheinende
Konzert rundet.
Thomas Buchholz nimmt - zumindest in diesen vier Kammersinfonien -
mit seinem Barock-Bezug eine Einengung des Kompositorisch-Konzeptionellen
in Kauf, doch er baut auch Brücken. Nicht zuletzt für eher traditionell
orientierte Hörer.
Günter Buhles
Presse: Neue Musikzeitung November 1998 mnz 11/98
Neue Musik
Tradition im heute
Der Hallenser Komponist Thomas Buchholz (geboren 1961) gehöft
zu den jüngeren Komponisten, die seit einigen Jahren nachdrücklich
auf sich aufmerksam machen. Auch in bisher zehn Kammersinfonien verfolgt
er aspekt- und formenreich sein Thema ,,Tradition und Gegenwart" mit Konsequenz.
Der gelernte Klavierbauer bleibt dabei stets dem realen Klang der Instrumente
auf der Spur und gewinnt daraus inVerbindung mit assoziativen musikalischen
Ideen die Substanz seiner Stücke.
Betroffenheit signalisiert die Kammersinfonie VI ,,Todesfuge" (1994)
in fügierender Unaufhaltsamkeit markanter melodischer und rhythmischer
Gestalten. Den Komponisten bedrängende Aktualität von Ausgrenzung
knüpft die Beziehung zu Paul Celans Gedicht. Die durch Schütz‘
"Musikalische Exe-quien" angeregte Kammersmfonie VII "Ex-sequi" (1995)
betrachtet den Grundgedanken des "Kommens und Gehens" aus heutigem Blickwinkel.
Text, Zentralton "D" ,von einer Siebentonreihe geprägte musikalisch-rhetorische
Gestalten und aparte Klangkonstellationen geben der kontrastreichen Musik
Halt in der Tradition. Nicht so organisch erscheint die Beziehung in der
Kammersinfonie VIII "Ellipse" (1995) mit ihrem "erfundenen" Barockthema
und dem etwas bemüht wirkenden Widerpart von Modernität, während
die Kammersinfonie IX "Tabulatura" (1995) im Zusammenwirken von Theorbe
und heutigem Streichorchester kreativ auf Konfrontation und Annäherung
setzt. Alle vier Ensembles bestätigen mit den Einspielungen ihre Professionalität und EinfühlsaInkeit im Umgang mit neuer Musik.
Dr. Claus Haake
Presse: Le Monde de la Musique No. 231 Avril 1999
Né dans l‘ex-Allemagne dc l‘Est, Thomas Buchholz est, à
trente-huit ans, à la tête d‘une œuvre qui comporte dèjà
plus dc soixante-dix opus. Sa. musique s‘oppose à la perte généralisée
de sensibilité du monde contemporain, à l‘atomisation dc
la société et aux forces d‘exclusion dont l‘individu est
la victime.
Pour ce faire, Buchholz a évidemment besoin d‘un langage aux
significations déjà fixées. Il utilise volontairement
des « matériaux usés » dans la tradition de Mahler.
Sa musique rappelle, par la couleur et l‘har-monie, celle du dernier Penderecki,
mais on n‘y diseerne pas la moindre tendancc accrocheuse, comme c‘est souvent
le cas, chez les «nostalgiques» (Kancheli ou Pärt). On
peut être d‘accord avec cette esthétique, on peut trés
bien la réfuter au nom de l‘exigcnce selon laquelle chaque époque
doit développer un vocabulaire qui lui est propre; mais le compositeur
sait trés bien rassembler de courts éléments épars
(Symphonie n° 6, sous-titrée « La Fugue de la mort »,
altusion au poéme de Paul Celan) qui flottent en une apesanteur
trompeuse, et son art réside dans la force qui donne sa cohésion
à ce matériau. L‘argument est d‘ordre extra-musical, certes,
mais il est servi par une écriture au-dessus de tout soupçon.
La Symphonie de chambre n° 7 montre par ailleurs un réel sens
dramatique....
Costin Cazaban
Presse: FANFARE 11/12 1998
Prolific Thomas Buchholz (b.1961) has written at least 10 chamber symphonies,
along with many other works. No. 6, "Todesfuge," comes from 1994, while
Seven through Nine all were written in 1995.
Chamber Symphony No. 6 contains no fugue in the normal sense, though
its texture is extremely linear. A theme, too, runs throughout, appeanng
in different forces after being introduced in bassoon. The short theme‘s
contour is almost exhaustively chromatic, like a 12-tone melody, but I
doubt Buchholz used that process here. The piece proceeds in restrained
waves of activity, and cach voice of the ensemble is constantly audible.
The bemused, unfocused nature of the piece contradicts the expressionist
angst one might expect from the title (meaning "Death Fugue"). This "death"
more closely resembles dissolution.
Chamber Symphony No. 7, "Ex-Sequi," takes as its extramusical starting
point the words of the ,,Musical Exequies," found on the 17th-century sarcophagus
of Heinrich Posthumus Reuss. Buchholz employs harpsichord as one direct
connection to the past, though its use recalls Ligeti‘s practice rather
than Corelli‘s. Passages of tonal harmonic progressions or cadences also
provide a link to thc early Baroque. The disconnected phrases present in
"Todesfuge" show up here as well. The fifth movemcnt calls for a speaker
intoning the Latin Credo (I think) in 12 phrases. Though the piece centers
on the D pitch, thcre really is no overriding sense of key.
Chamber Symphony No. 8, "Ellipse," features a concertino of harpsichord,
flute, and bassoon, and an orchestra of Baroque period instruments. The
two groups progress with vastly different mate-rial that occasionally intersects.
When one sound world meets the other, the effect feels almost transdimensional.
The Baroque Variations of Lucas Foss might be a model, though thc material
that Buchholz assigns to the concertino group is original, faux-Baroque.
The resulting combination of styles is charmingly bizarre.
Chamber Symphony No. 9 features thc theorbo, a big lute from the Renaissance.
Normally a continuo instrument, it acquires a soloist‘s role in Buchholz‘s
piece. Again, the orchestra and soloist exist mostly on different planes,
with occasional cross-pollination of material. The less derivative lute
part sets this piece apart from Chamber Symphony No. 8; though Buchholz
borrows from the past here as well, he attempts less to re-create larger,
quasi-Baroque passages, opting instead for inference and allusion. This
piece contains an actual old hymn, tbougb, unlike No. 8.
Buchholz‘s incorporation of external sourccs and stylistic flexibility,
in addition to small-scalc structural discontinuity, places his aesthetic
philosophy in the grand old postmodern tradition. His clear, almost archaic
use of his instrumental forces already ties him to the past, even if the
actual quotations bad been missing. lt would be impossible to mistake him
for a composer working prior to, say, 1970 (though that‘s not to say bis
music feels even that old). This is interesting stuft mostly enjoyable
listening, with good performances and sound (though dose enough at times
to catch page turns). I‘d like to hear more of this Thomas Buchholz.
Robert Kirzinger
Presse: Südkurier, September 1998
Thüringer
Klangmoderne
An Musikgeschichte erinnern die bisherigen Lebensstationen des 37 Jahre
alten Komponisten Thomas Buchholz: In Bachs Eisenach geboren, in Leipzig,
Berlin und Händels Halle ausgebildet, tätig an der Köstritzer
Schütz-Akademie. Musikgeschichte bringen auch seine Kammersinfonien
Nr. 6-9 ein. Sie haben jeweils die Länge barocker Concerti, spielen
mit "alten" Formen, Satztechniken (Fuge,Choralvorspiel) und Klangmustern.
Dabei siegt stets die Expression über die Collage, die Attacke
über woh1gefälliges Stilzitat. Ernst und - wenn man Celans, Gedicht
danebenlegt - von bildhafter, nie aber ins illustrierende flüchtender
Klangdichte ist die "Todesfuge", harte kompakte Trauerarbeit. Auch ,die
fünfsätzige Kammersinfonie "Ex-Sequi" umfaßt Lebensstationen
in barocken Satztypen, darunter ein "Canticum" mit gesprochenem "Credo"
- Erneuerung der Kirchensonate. Weltlicher sind die "Ellipse" und "Tabulutura"
titulierten Sinfonien, die erste ein stilistisches Spiel mit verschrägtem
Cembalo-Barock, dazwischen Anklänge an Hindemiths Neubarock oder Richard
Strauss‘ oder Strawins‘kys Stilmaskeraden und wenn dann eine Kadenz mit‘
verminderten Septakkorden erscheint, ist es als ob Wagners‘ Loge
Feuer in den tönenden Kostümfundus wirft und er verglüht
am Ende. "Tabulatura" ist ein Theorbenkonzert, das von "Konzertschein und
Atomreaktoren zur täglichen Lebensummantelung" tönend berichten
will.
Philharmoniker und Solisten aus Halle spielen die Werke mit starkem
Ausdruck, präzis, dynamisch. Thüringer Moderne von hoher Sensibilität
und programmatischer Aktualität.
se.
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